»Du darfst nur nicht mitspielen«

Beim Kampf gegen Ras­sis­mus geht es doch ver­dammt noch mal nicht um die Befind­lich­kei­ten und Bedürf­nis­se und Emp­find­lich­kei­ten von wei­ßen Menschen.

Hel­ge Lindh (SPD)

Nach klas­si­scher Defi­ni­ti­on und all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch ist Ras­sis­mus eine meist abwer­ten­de Beur­tei­lung von Per­so­nen auf Basis tat­säch­li­cher oder zuge­schrie­be­ner ras­si­scher Eigen­schaf­ten bezie­hungs­wei­se die Ungleich­be­hand­lung, die aus sol­chen Beur­tei­lun­gen erwächst. Doch die­se Auf­fas­sung wird mehr und mehr durch eine neue abge­löst, der zufol­ge man nur dann von Ras­sis­mus spre­chen kön­ne, wenn die Abge­wer­te­ten »struk­tu­rell benach­tei­ligt« (o. Ä.) und die Ras­sis­ten »struk­tu­rell pri­vi­le­giert« sind, und die struk­tu­rell Pri­vi­le­gier­ten sei­en in unse­rer Welt immer die Weißen.

Natür­lich kön­nen sich Begriffs­be­deu­tun­gen wan­deln und kann man Defi­ni­tio­nen ändern. Das ist aber nur dann sinn­voll und wird ohne Gewalt­akt wohl auch nur dann gelin­gen, wenn dadurch die Aus­drucks- und Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten der Spra­che zuneh­men oder wenigs­tens gleich­blei­ben. Das ist hier nicht der Fall. Die Aus­drucks- und Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten des neu­en Ras­sis­mus­be­griffs sind um Grö­ßen­ord­nun­gen gerin­ger als die des klas­si­schen, wie ich im Fol­gen­den erläutere.

Rassismus und Machtdifferenz

Die oft zu hören­de Aus­sa­ge, Ras­sis­mus gegen Wei­ße exis­tie­re nicht, klingt wie eine empi­ri­sche Aus­sa­ge, ist aber kei­ne. Es ist nicht etwas, das man durch For­schung her­aus­ge­fun­den hät­te, son­dern etwas, das man durch Fest­le­gung einer ent­spre­chen­den Defi­ni­ti­on ent­schie­den hat.

Ähn­lich könn­te ich ent­schei­den, dass nach mei­ner Defi­ni­ti­on das Wort »grün« nicht auf das Grün von Nadel­bäu­men anwend­bar sei, und auf die­ser Basis die empi­ri­sche Aus­sa­ge tref­fen, dass Nadel­bäu­me nicht grün sei­en. Man kann mir nun so vie­le grü­ne Nadel­bäu­me zei­gen, wie man will, ohne mich damit je wider­le­gen zu kön­nen. Ich wie­der­um muss mir über­haupt kei­ne Bäu­me anse­hen, um mir der Wahr­heit mei­ner Aus­sa­ge gewiss zu sein. Allein auf­grund mei­ner Defi­ni­ti­on kann es nicht anders sein, als ich sage.

Eines der ein­ge­spreng­ten Körn­chen Wahr­heit in der neu­en Defi­ni­ti­on, das man auch empi­risch nach­wei­sen könn­te, ist, dass Ras­sis­mus weni­ger gefähr­lich ist, wenn die ras­sis­ti­sche Per­son oder Grup­pe an Macht unter­le­gen ist. Wenn jemand mir nichts kann, juckt es mich rela­tiv wenig, dass er mich ras­sis­tisch beur­teilt. Erst wenn er mir an Macht über­le­gen ist, erwächst dar­aus ein ernst­zu­neh­men­des destruk­ti­ves Potenzial.

Dadurch wer­den Ras­sis­mus und Macht­dif­fe­renz aber nicht zur sel­ben Sache. Es gibt Ras­sis­mus ohne Macht­dif­fe­renz und Macht­dif­fe­renz ohne Ras­sis­mus. Sozia­le Ungleich­heit aller Art, Dis­kri­mi­nie­rung, Kri­mi­na­li­tät, Skla­ve­rei, Krieg und Bür­ger­krieg sind alles sozia­le Phä­no­me­ne, die ein ras­sis­ti­sches Ele­ment haben kön­nen, aber nicht müs­sen. Mit dem neu­en Ras­sis­mus­be­griff kann man ihr ras­sis­ti­sches Ele­ment gar nicht benen­nen, wenn nicht ein­deu­tig Wei­ße die Täter und Nicht­wei­ße die Opfer sind. Und wenn dies die Kon­stel­la­ti­on ist, ist mit ihm nicht mehr denk­bar, dass kei­ne ras­sis­ti­sche Kom­po­nen­te vor­han­den ist. Er erüb­rigt also in allen Fäl­len eine empi­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den Tat­sa­chen und nimmt das Ergeb­nis defi­ni­to­risch vor­weg – immer das gleiche.

Verordnete Sprachlosigkeit

Ein­mal davon abge­se­hen, dass es ziem­lich gewagt ist, glo­bal zu behaup­ten, jede eth­nisch beding­te Feind­se­lig­keit gegen Wei­ße sei unge­fähr­lich – wie nen­nen wir denn jetzt eine Hal­tung des Schwä­che­ren, die wir frü­her »Ras­sis­mus« genannt hätten?

Die Ver­tre­ter der neu­en Defi­ni­ti­on bestrei­ten nicht, dass Macht­un­ter­le­ge­ne in der Lage sind, Macht­über­le­ge­ne auf­grund tat­säch­li­cher oder zuge­schrie­be­ner ras­si­scher Eigen­schaf­ten abzu­wer­ten, und dass sie dies auch gele­gent­lich tun. Wir sind uns also alle einig, dass das, was man frü­her »Ras­sis­mus« nann­te, auch in die­ser Rich­tung empi­risch exis­tiert. Die­ser Ras­sis­mus mag nicht gefähr­lich sein, wie oben fest­ge­stellt, aber er exis­tiert, auch wenn man ihn anders nen­nen mag.

»Vor­ur­tei­le« und »Dis­kri­mi­nie­rung« wer­den manch­mal als alter­na­ti­ve Bezeich­nun­gen vor­ge­schla­gen. Doch bei­de sind als Syn­ony­me hier sehr unge­nau. Wor­an machen sich Vor­ur­tei­le und Dis­kri­mi­nie­rung fest? Eine For­mel wie »ras­sisch begrün­de­te Vor­ur­tei­le« wäre nur eine umständ­li­che und unprä­zi­se Umschrei­bung für »Ras­sis­mus«. Auch »Dis­kri­mi­nie­rung« müss­te man näher ein­gren­zen, um eine ver­gleich­bar dif­fe­ren­zier­te Infor­ma­ti­on zu über­mit­teln, denn Men­schen kön­nen noch nach vie­len ande­ren Merk­ma­len dis­kri­mi­nie­ren. Wenn wir nun aber »ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung« sagen woll­ten, um prä­zi­se zu sein, dürf­ten wir das wie­der nicht, weil »Ras­sis­mus« dar­in auf­taucht. Zusam­men­set­zun­gen wie »ras­si­sche Dis­kri­mi­nie­rung« oder »Dis­kri­mi­nie­rung nach Ras­se« sind wie­der nur bemüh­te Umschrei­bun­gen von »Ras­sis­mus« und brin­gen über­dies das neue Pro­blem mit sich, dass sie die Kate­go­rie »Ras­se« als objek­tiv gege­be­nes Merk­mal ein­füh­ren wür­den, was an die­ser Stel­le wohl nie­mand will.

Mög­li­che Alter­na­tiv­aus­drü­cke für »Ras­sis­mus« in Situa­tio­nen, in denen ein als schwä­cher Ein­ge­stuf­ter ras­sis­tisch (im her­kömm­li­chen Sinn) ist, kön­nen sich dem­nach in zwei Rich­tun­gen ent­wi­ckeln: In der einen wer­den sie unschär­fer und infor­ma­ti­ons­är­mer, in der ande­ren sind sie umso ent­schie­de­ner tabu, je näher sie dem Gemein­ten – Ras­sis­mus – kommen.

Wir blei­ben also neu­er­dings an die­ser Stel­le sprach­los. Wir erin­nern uns dar­an, ein­mal den pas­sen­den Begriff gehabt zu haben, um die Ein­stel­lung zu benen­nen, die hin­ter dem feind­se­li­gen Ver­hal­ten steckt, das wir beob­ach­ten. Doch die­sen Begriff dür­fen wir hier nicht mehr ver­wen­den. Einen brauch­ba­ren Ersatz gibt es nicht.

Ein anschau­li­ches Bei­spiel für die­se ver­ord­ne­te Sprach­lo­sig­keit lie­fer­ten Mit­te Okto­ber 2020 Mit­ar­bei­ter von »WDR Doku« auf You­Tube, und zwar in einer Ant­wort auf einen Zuschau­er­kom­men­tar zu einem Bei­trag über Ras­sis­mus (Screen­shot hier).

Mas­si­mo: Bei uns spie­len Sonn­tags schwar­ze fuß­ball, frag­te ob ich mit­spie­len darf. Ant­wort wir wol­len kei­ne wei­ße hier! Ist das kein Rassismus?

WDR Doku: Nein, lie­ber Mas­si­mo, das ist kein Ras­sis­mus. Du darfst nur nicht mit­spie­len. Ras­sis­mus ist viel mehr als nicht mit­spie­len zu dür­fen. Schau mal hier: https://ze.tt/warum-es-keinen-rassismus-gegen-weisse-gibt-usa-polizeigewalt-george-floyd/

Es ist Orwel­lia­ni­sche Sprachzerstörung.

Zum einen ist in der Sprach­re­ge­lung von »WDR Doku« die im Ras­sis­mus­be­griff ent­hal­te­ne mora­li­sche Wer­tung getilgt. Dass Mas­si­mo nicht mit­spie­len darf, weil er weiß ist, erscheint als völ­lig wert­neu­tra­le Ange­le­gen­heit. Doch über die Wer­tung hin­aus ist in dem Satz »Du darfst nur nicht mit­spie­len« auch die blo­ße Infor­ma­ti­on getilgt, dass Mas­si­mo auf­grund sei­ner Haut­far­be uner­wünscht ist. Dem­nach ist es nicht nur in Ord­nung und bedarf kei­nes Kom­men­tars, wenn ein Wei­ßer auf­grund sei­ner Haut­far­be aus­ge­grenzt wird, son­dern im Ide­al­fall spricht man gar nicht erst aus, dass es über­haupt pas­siert ist.

Genau das ist der Kern von Orwells »Neu­sprech«: Wort­be­deu­tun­gen zu zer­stö­ren, um Gedan­ken, die sich nicht in die pro­pa­gier­te Ideo­lo­gie fügen, unsag­bar und undenk­bar zu machen.

Der ver­link­te Bei­trag von »Ze.tt« argu­men­tiert im Kern, dass es des­halb kei­nen Ras­sis­mus gegen Wei­ße gebe, weil Ras­sis­mus mit Macht­ver­hält­nis­sen zusam­men­hän­ge und von Wei­ßen erfun­den wor­den sei, um Unter­drü­ckung, Kolo­nia­lis­mus und Skla­ve­rei zu recht­fer­ti­gen. Letz­te­res ist his­to­risch für den Ras­sis­mus in der west­li­chen Welt nicht falsch. Doch was folgt dar­aus und was nicht? Etwas wei­ter unten heißt es: »Ras­sis­mus in sei­ner heu­ti­gen Form ist eine wei­ße Erfin­dung.« Plötz­lich wird der Ras­sis­mus von Kolo­ni­sa­to­ren und Skla­ven­hal­tern, die vor Jahr­hun­der­ten gewirkt haben, zur »heu­ti­gen Form« von Ras­sis­mus erklärt. Dar­über hin­aus wird unter­stellt, dass es nur die­se eine Form von Ras­sis­mus gebe.

Wie gesagt, natür­lich kann man das so defi­nie­ren. Man kann alles defi­nie­ren, wie man möch­te. Aber wie sinn­voll ist das? War­um soll es nicht meh­re­re For­men von Ras­sis­mus geben kön­nen, wäh­rend eine davon vor­herr­schend und die bedeut­sams­te ist (wenn wir die­se empi­ri­sche Annah­me um der Dis­kus­si­on wil­len ein­mal akzeptieren)?

Wir haben kein Pro­blem damit, eine Ohr­fei­ge »Gewalt« zu nen­nen, obwohl auch ein Angriffs­krieg Gewalt und eine Ohr­fei­ge im Ver­gleich zu einem Angriffs­krieg lächer­lich gering­fü­gig ist. Wir ent­schei­den nicht, den Begriff »Gewalt« plötz­lich für Angriffs­krie­ge zu reser­vie­ren und dabei zu igno­rie­ren, dass sich vie­le For­men von Gewalt dann nicht mehr als sol­che benen­nen las­sen. Das Was­ser im Oze­an ist eben­so Was­ser wie das in der Gieß­kan­ne, das eine ist süß, das ande­re sal­zig, manch­mal gefriert Was­ser, manch­mal fällt es vom Him­mel und manch­mal ver­dampft es, manch­mal ver­brennt, manch­mal kühlt es uns. Das Was­ser in der Gieß­kan­ne ist kein Oze­an und beher­bergt kei­ne Fische, aber es ist doch Was­ser. All das erzeugt kei­ne Ver­wir­rung oder Unklar­heit über den Begriff »Was­ser«. Ganz im Gegen­teil ermög­li­chen all­ge­mei­ne Begrif­fe in Kom­bi­na­ti­on mit ande­ren einen dif­fe­ren­zier­ten Gebrauch, also einen, der zugleich Unter­schie­de und Gemein­sam­kei­ten unter­schied­li­cher Erschei­nungs­for­men des Bezeich­ne­ten sicht­bar macht. So funk­tio­niert Spra­che. War­um soll das Glei­che mit »Ras­sis­mus« nicht mög­lich sein, wobei die Abwer­tung auf­grund von »Ras­se« die gro­ße Gemein­sam­keit wäre und Macht­struk­tu­ren, Pri­vi­le­gi­en etc. hin­zu­kom­men kön­nen oder auch nicht?

Simplistische Machttheorie

Die Annah­me, es gebe ein ein­zi­ges über­ge­ord­ne­tes Macht­ver­hält­nis, in des­sen Rah­men jede Inter­ak­ti­on zu deu­ten sei, ist grund­le­gend für die »Kri­ti­schen Theo­rien« die­ser Art. Es ist die­se Annah­me, die ihren Ver­tre­tern in jeder Situa­ti­on eine kla­re Pola­ri­tät von Gut und Böse, von Rich­tig und Falsch, von Freund und Feind an die Hand gibt, ohne dass sie sich bemü­hen müss­ten, die Kom­ple­xi­tä­ten der kon­kre­ten Fra­ge­stel­lung und Situa­ti­on zu durch­drin­gen. Doch das ist lächer­lich simplistisch.

In der Rea­li­tät ist viel­mehr ein unend­lich kom­ple­xes Gefü­ge viel­fäl­ti­ger Macht­ver­hält­nis­se, ‑dif­fe­ren­tia­le und ‑quel­len zu beob­ach­ten. Bereits zwi­schen zwei Per­so­nen kann das Macht­ver­hält­nis völ­lig anders aus­se­hen je nach­dem, an wel­chem Ort und zu wel­cher Tages­zeit sie sich begeg­nen, je nach­dem, wer noch dabei ist, je nach­dem, ob ein Ver­trag zwi­schen ihnen noch gül­tig ist, oder je nach­dem, wie viel sie über­ein­an­der wis­sen. Eine win­zi­ge Infor­ma­ti­on, die dem einen über den ande­ren zugäng­lich wird, kann alles kip­pen lassen. 

Es gibt unzäh­li­ge Varia­blen die­ser Art. Und je mehr Men­schen ins Spiel kom­men, die durch ver­schie­de­ne Arten von Bezie­hun­gen und gegen­sei­ti­ge Abhän­gig­kei­ten mit­ein­an­der ver­bun­den sind, des­to kom­pli­zier­ter wird das Zusam­men­spiel die­ser Varia­blen. Die Kom­ple­xi­tät sozia­ler Bezie­hun­gen ist nicht plötz­lich aus­ge­löscht, nur weil es mög­lich ist, eine Situa­ti­on durch die Ras­sis­mus­bril­le zu betrach­ten. Wenn man davon aus­geht, immer nur ein Macht­ver­hält­nis im Blick haben zu müs­sen, macht man einen Aspekt der Situa­ti­on sicht­bar um den Preis, alle ande­ren unsicht­bar zu machen. Die Schar wei­ßer Obdach­lo­ser und der schwar­ze Prä­si­dent wer­den weg­er­klärt, statt Anlass zu geben, sich eine dif­fe­ren­zier­te­re Theo­rie zu über­le­gen. Eben­so die Gene­ra­ti­on von nicht­wei­ßen »Antirassismus«-Aktivisten, die von media­len und poli­ti­schen Macht­zen­tren her hofiert und geför­dert wer­den und deren öffent­li­che Per­so­na dar­auf beruht, in weit­ge­hen­der Nar­ren­frei­heit den Men­schen um sich her­um Ras­sis­mus vor­zu­wer­fen und dabei selbst am meis­ten davon zu ver­strö­men. Ist das kein Pri­vi­leg, ist das kei­ne Macht? Und dass sie in die­ser Form eine Macht haben, die Wei­ße nicht haben, schließt kei­nes­wegs die Mög­lich­keit aus, dass sie an ande­rer Stel­le ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung erle­ben. Dass sie ein beruf­lich-finan­zi­el­les und viel­leicht psy­cho­lo­gi­sches Inter­es­se haben, deren Umfang zu über­trei­ben, steht auf einem ande­ren Blatt.

Ein Zirkel des Zynismus

Mit dem neu­en Ras­sis­mus­be­griff macht man sich sys­te­ma­tisch blind für die Tat­sa­che, dass man durch die Dämo­ni­sie­rung wei­ßer Men­schen Ras­sis­mus nährt, indem man sich kate­go­risch wei­gert, die­sen Ras­sis­mus als sol­chen wahrzunehmen.

Dass Mas­si­mo nicht mit den Schwar­zen Fuß­ball spie­len darf, mag kein gro­ßes Pro­blem sein. Aber im Zusam­men­hang mit Ras­sis­mus pas­sie­ren weit­aus erns­te­re Din­ge, die mit dem neu­en Ras­sis­mus­be­griff von »WDR Doku« und Co. unsag­bar und unan­klag­bar werden.

Am 3. Dezem­ber 2020 berich­te­te die Washing­ton Post über eine neue Hate­speech-Poli­tik bei Face­book, die vor­sieht, Hass­kom­men­ta­re gegen Wei­ße, Män­ner und Ame­ri­ka­ner weni­ger streng zu hand­ha­ben als sol­che gegen Grup­pen, die man als mar­gi­na­li­siert ein­stuft. Bis dahin hat­ten die Hate­speech-Regeln (zumin­dest in der Theo­rie) für alle glei­cher­ma­ßen gegol­ten. Anschei­nend emp­fin­det eine erheb­li­che Zahl von Nut­zern und Akti­vis­ten­grup­pen die glei­che Anwen­dung der Regeln als untrag­ba­re Ein­schrän­kung. Aus dem Arti­kel wird deut­lich, dass es vie­le Hass­kom­men­ta­re die­ser Art gibt. Wie gehen wir damit um? Begrei­fen wir mas­sen­haft ver­brei­te­ten Hass einer eth­ni­schen Grup­pe auf eine ande­re als Pro­blem? In die­sem Fall nicht. Wir tun so, als gäbe es ihn nicht, und wo das nicht geht, reden wir ihn uns als Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gung schön.

Zwei Tage spä­ter, am 5. Dezem­ber, erschien in der New York Times eine Geschich­te über die Dis­kus­si­on, wel­che Grup­pen die ers­ten Covid-19-Imp­fun­gen erhal­ten soll­ten. In der enge­ren Aus­wahl waren die beson­ders gefähr­de­ten Älte­ren sowie Berufs­tä­ti­ge, die für die Auf­recht­erhal­tung des gesell­schaft­li­chen Betriebs wich­tig sind und nicht von zu Hau­se arbei­ten kön­nen. Ein Epi­de­mio­lo­ge an der Har­vard-Uni­ver­si­tät mein­te etwa, Leh­rer soll­ten kei­ne Prio­ri­tät haben, denn die hät­ten »ein Mit­tel­schichts­ein­kom­men, [sei­en] oft sehr weiß und [hät­ten] Uni­ver­si­täts­ab­schlüs­se«. Eine Öko­no­min wider­sprach: Leh­rer sei­en wich­tig, weil schwar­ze Eltern oft beson­ders dar­auf ange­wie­sen sei­en, dass die Kin­der zur Schu­le kön­nen. Ein »Exper­te für Ethik und Gesund­heits­po­li­tik« sprach sich dage­gen aus, zuerst die Alten zu imp­fen, denn die sei­en häu­fig weiß und hät­ten in der Ver­gan­gen­heit bereits eine gute Gesund­heits­ver­sor­gung genos­sen; dies sei eine Gele­gen­heit, ein biss­chen für glei­che Ver­hält­nis­se zu sor­gen (»we can start to level the play­ing field a bit«).

Nein, lie­be Oma, das ist kein Ras­sis­mus. Du wirst nur nicht geimpft. Wer hät­te ahnen kön­nen, dass Ras­sen­den­ken zu so etwas führt?

Spin­nen wir die­se Ent­wick­lung ein­mal einen Schritt wei­ter. Was ist, wenn Mas­si­mo und sei­ne Freun­de künf­tig Schwar­ze nicht mehr mit­spie­len las­sen? Fra­gen wir sie nach ihren Grün­den und brin­gen Ver­ständ­nis für sie auf? Selbst­ver­ständ­lich nicht – beim Kampf gegen Ras­sis­mus geht es »ver­dammt noch mal nicht um die Befind­lich­kei­ten und Bedürf­nis­se und Emp­find­lich­kei­ten von wei­ßen Men­schen«. Wir haben nun auf bei­den Sei­ten Ras­sis­mus (ich ver­wen­de den alten Begriff), und wer Ras­sis­mus ablehnt, müss­te bestrebt sein, auf bei­den Sei­ten ein Bewusst­sein dafür zu erzeu­gen, dass die­ser Ras­sis­mus ein Pro­blem ist, so dass die Betref­fen­den dies reflek­tie­ren, ihre ras­sis­ti­schen Ein­stel­lun­gen hin­ter sich las­sen und künf­tig zusam­men Fuß­ball spie­len kön­nen. Der neue Ras­sis­mus­be­griff ver­schließt die­se Mög­lich­keit. Den Ras­sis­mus der Schwar­zen in die­sem Sze­na­rio dür­fen wir nicht wahr­neh­men oder benen­nen, und auf der ande­ren Sei­te wer­den Mas­si­mo und sei­ne Freun­de höchst­wahr­schein­lich kein offe­nes Ohr für uns haben, solan­ge wir sie unge­recht behan­deln, indem wir sie gemäß dem Dik­tat des Begriffs allein ver­ant­wort­lich machen. Wir haben nun mehr Ras­sis­mus in der Welt, nicht weni­ger, weil wir es uns leis­ten, uns über die Rea­li­tät gege­be­ner Kon­flikt­kon­stel­la­tio­nen sys­te­ma­tisch zu belügen.


Dies ist ein Aus­zug aus dem Text »Der neue Ras­sis­mus­be­griff«, der in dem Buch »Im Schat­ten guter Absich­ten: Die post­mo­der­ne Wie­der­kehr des Ras­sen­den­kens« voll­stän­dig zu lesen ist.

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18 Kommentare

  1. […] Umschrei­bun­gen von »Ras­sis­mus« und brin­gen über­dies das neue Pro­blem mit sich, dass sie die Kate­go­rie »Ras­se« als objek­tiv gege­be­nes Merk­mal ein­füh­ren wür­den, was an die­ser Stel­le wohl nie­mand will.

    Das wirft natür­lich die Fra­ge auf, ob hier ein wei­te­rer Begriff, der etwas Rea­les beschreibt, getilgt wer­den soll.

    Im Eng­li­schen ist das Wort race gang und gäbe. Wie kommt es, dass man dort so wenig Vor­be­hal­te gegen das Wort hat? Es stellt sich auch die Fra­ge, wie ein Ras­sist über­haupt ent­schei­det, wer zur eige­nen und wer zur frem­den Grup­pe gehört, wenn es kei­ne »rea­len Merk­ma­le« gibt.

    Wor­auf beruht über­haupt Ras­sis­mus, wenn nicht auf objek­tiv Gegebenem?

    Liegt der eigent­li­che Streit um die­sen Begriff nicht bloß dar­in begrün­det, dass man­che zwar phy­sio­lo­gi­sche Unter­schie­de der Popu­la­tio­nen aner­ken­nen, jedoch kei­ne men­ta­len? Ande­re wie­der­um sehen sowohl phy­sio­lo­gi­sche als auch men­ta­le. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung möch­te man aber ver­mei­den und tabui­siert gleich jeg­li­che Benen­nung ange­bo­re­ner Unterschiede.

    Man sagt dann viel­leicht »Haut­far­be« und ist wie­der bei den »objek­tiv gege­be­nen Merk­ma­len«. Oder auch nicht, denn auch Haut­far­be gilt manch­mal als »sozi­al konstruiert«.

    So kommt man nicht wei­ter, und, wie gesagt, im Eng­li­schen ist es ganz nor­mal, R‑Wort auszusprechen.

    1. Mir ging es eigent­lich nur dar­um, dass es in die­sem Kon­text die Sache eher kom­pli­zier­ter als ein­fa­cher macht und eine Klä­rung der Fra­ge, ob man bei Men­schen von »Ras­sen« spre­chen kann, für die Ableh­nung von Ras­sis­mus uner­heb­lich ist.

      Wobei das Argu­ment, dass es Ras­se geben müs­se, damit es Ras­sis­mus geben kön­ne, mich noch nie über­zeugt hat. Es kann auch Hexen­jag­den geben, die sich an irgend­wel­chen Merk­ma­len fest­ma­chen, ohne dass es Hexen gibt.

      1. Hexen­jag­den […], die sich an irgend­wel­chen Merk­ma­len festmachen

        Aber die­se Merk­ma­le müss­te man schon bestim­men oder nicht?

        Was wären die­se Merk­ma­le im Fall von Ras­sis­mus? Wel­che Merk­ma­le sind es, auf die ein Ras­sist ach­tet? Irgend­wel­che belie­bi­gen? Lässt sich das nicht wei­ter ein­gren­zen? Weil es kei­ne rea­len Merk­ma­le gibt?

        Oder ist die Fra­ge irrelevant?

        Wie lässt sich bei sol­cher Belie­big­keit über­haupt sagen, wann etwas Ras­sis­mus ist und wann nicht?

        Ich wür­de dir recht geben, dass Ras­sis­mus nicht auf tat­säch­li­che Ras­sen grün­den muss. Ein Ras­sist könn­te z.B. von einer »jüdi­schen Ras­se« reden und damit einem kate­go­ri­schen Feh­ler unter­lie­gen. Aller­dings besteht hier eben des­halb ein Kate­go­rien­feh­ler, weil wir wis­sen, was Ras­se ist. Weil Ras­se und Reli­gi­on jeweils kon­kre­te Bedeu­tun­gen haben und nicht in die­sel­be Kate­go­rie fallen.

        1. Abge­se­hen davon stellt sich natür­lich die Fra­ge, ob man sich den Kate­go­rien­feh­ler zu eigen macht. Wenn ein Anti­ju­da­ist von einer »jüdi­schen Ras­se« spricht, ist er viel­leicht nur in soweit ein Ras­sist als er fälsch­li­cher­wei­se von Ras­sen redet. Aber man könn­te ihn auch ein­fach als Anti­ju­da­is­ten bezeich­nen und sei­ne unsin­ni­ge Sprech­wei­se ignorieren.

          Das mag spitz­fin­dig sein, aber man immer klar sagen kön­nen, wor­um es geht. Ver­schäm­tes Drum­her­um­re­den führt eher zu Missverständnissen.

          Kom­pli­ziert wird es doch erst, wenn man sich auf sol­che Tabus ein­lässt. Da ver­hed­dert man sich nur in Widersprüche.

          Neh­men wir nur ein­mal den Vor­wurf, es sei ras­sis­tisch, sich auf »Far­ben­blind­heit« zu beru­fen. Läuft ein sol­cher Vor­wurf nicht dar­auf hin­aus, dass die Exis­tenz von Ras­sen aner­zu­ken­nen ist?

      2. Die Argu­men­te, war­um es kei­ne mensch­li­chen Ras­sen geben soll­te, fin­de ich übri­gens alle­samt absurd.

        Man kann natür­lich das Wort erset­zen gegen ein ande­res, weni­ger belas­te­tes. Aber dar­um geht es ja gera­de nicht. Angeblich.

        Etwas, was es ganz real gibt, soll es nicht geben. (Weil es poli­tisch nicht passt.)

        Muss man sich auf die­ses Niveau herablassen?

        1. Noch eine Anmer­kung dazu. Es wäre sehr hilf­reich, wenn sich ein weni­ger belas­te­tes Syn­onym für Ras­se eta­blie­ren wür­de. Aber das ist eben nicht mög­lich, wenn man – wahr­heits­wid­rig – abstrei­tet, dass es Ras­sen über­haupt gibt. Es bleibt dann nur das Wort Rasse.

          Eth­nie ist unscharf, da es sich auch auf kul­tu­rel­le Merk­ma­le bezie­hen lässt.

          Momen­tan spricht man behelfs­mä­ßig von Haut­far­ben, aber nur in sehr gene­ra­li­sier­ter Form. Man sagt, »auf­grund der Haut­far­be dis­kri­mi­niert«, und bleibt damit poli­tisch kor­rekt. Man meint damit aber sicher nicht allein die Haut­far­be, die beim braun­ge­brann­ten bio­deut­schen Play­boy dunk­ler sein kann als beim Migran­ten aus Nordafrika.

          Letzt­lich gibt es den Bedarf, gesell­schaft­lich Rele­van­tes auch benen­nen zu kön­nen. Dazu gehört auch Rasse.

          1. Wie ich es ver­ste­he, ist »Ras­se« ein Begriff, der in der Bio­lo­gie eine bestimm­te Bedeu­tung hat. Ich bin da nicht ein­ge­le­sen, aber ob es mensch­li­che Ras­sen gibt, wür­de für mich davon abhän­gen, was die in der Bio­lo­gie gül­ti­gen Kri­te­ri­en dafür sind, eine Popu­la­ti­on als sepa­ra­te Ras­se zu defi­nie­ren, und ob die­se Kri­te­ri­en beim Men­schen erfüllt sind.

            Du scheinst ein­fach von der Wahr­neh­mung, dass es unter­schied­li­che mit Abstam­mungs­grup­pen asso­zi­ier­te Phä­no­ty­pen beim Men­schen gibt, zu der Fest­stel­lung zu sprin­gen, dass es mensch­li­che Ras­sen gebe. Doch dass es die­se Phä­no­ty­pen gibt, muss nicht hei­ßen, dass »Ras­sen« der rich­ti­ge Begriff dafür ist. Und wenn es bio­lo­gi­sche »Ras­sen« beim Men­schen gibt, ist nicht ohne Wei­te­res anzu­neh­men, dass die mit den Kate­go­rien über­ein­stim­men, die wir wahr­neh­men. »Schwar­ze« und »Wei­ße« zum Bei­spiel wären dann viel zu grob und man müss­te auf gene­ti­scher Ebe­ne schau­en, wel­che Grup­pen sich wirk­lich unter­schei­den las­sen. Dort wür­de man ver­mut­lich zumin­dest teil­wei­se zu ande­ren Kate­go­rien gelan­gen als denen, die wir auf Basis der nai­ven Wahr­neh­mung unter­schei­den. Wenn es »Ras­sen« objek­tiv gibt und du die objek­ti­ve Wirk­lich­keit erfas­sen willst, kannst du die Gren­zen nicht ein­fach nach Lau­ne zie­hen. Zunächst blie­be einem aber nichts ande­res übrig.

            Und die nächs­te Fra­ge wäre, was damit dann gewon­nen wäre, jetzt mit Gewalt im Deut­schen den Ras­sen­be­griff wie­der zu popu­la­ri­sie­ren, selbst wenn er im bio­lo­gi­schen Sinn rich­tig wäre. Er hat nun mal einen bru­ta­len Klang und geno­zi­da­le Asso­zia­tio­nen. Was bringt er uns, dass wir die­se schla­fen­den Hun­de wecken soll­ten? Ich kom­me zum Bei­spiel mit »eth­ni­sche Grup­pen« gut zurecht. Eine gewis­se Vag­heit ist mir dabei sogar will­kom­men, weil, sie­he oben, ich im Ein­zel­nen nicht wüss­te, wo die eine »Ras­se« auf­hört und die ande­re beginnt, und ich das auch nicht unbe­dingt für eine hilf­rei­che Unter­schei­dung halte.

            Davon abge­se­hen ist es wirk­lich nicht rele­vant für den Text. Es kommt nur in einem hal­ben Satz vor, den man auch weg­las­sen könn­te, womit die Argu­men­ta­ti­on zu 99% die glei­che bliebe.

          2. Im Text ist es nur bei­läu­fig erwähnt, und ich stim­me ansons­ten ja auch zu.

            Aller­dings hal­te ich die Fra­ge, ob es phä­no­ty­pisch unter­schied­li­che Popu­la­tio­nen gibt (oder ob das nur Ein­bil­dung ist), nicht für nebensächlich.

            Ich hat­te übri­gens geschrie­ben, dass durch die Behaup­tung, es gäbe kei­ne Ras­sen, die Eta­blie­rung eines weni­ger belas­te­ten Worts unmög­lich wird. Inso­fern wun­dert es mich, dass du meinst, ich wol­le einen als hart emp­fun­de­nen Begriff popu­la­ri­sie­ren. Das Wort Ras­se ist sozu­sa­gen ver­brannt (im Gegen­satz zu race), aber längst ersetzt durch Hautfarbe.

            Was sagst du denn zu Haut­far­ben? Exis­tie­ren die, oder sind die ein sozia­les Kon­strukt? Ist es unwis­sen­schaft­lich, beim Men­schen von Haut­far­ben zu sprechen?

            (Übri­gens kann man längst aus dem Gen­pro­fil eines Men­schen auf sei­ne Abstammung/Herkunft und ent­spre­chen­de äußer­li­che Merk­ma­le schließen.)

            Schlo­mo Fin­kel­stein aka Die Vul­gä­re Ana­ly­se hat­te neu­lich ein hüb­sches Bei­spiel in Form einer Reduc­tio ad absur­dum: Da man nicht die genaue Gren­ze von Hand und Unter­arm kennt, ist es unwis­sen­schaft­lich von Hän­den zu sprechen.

            Letzt­lich ist das die Argu­men­ta­ti­on: Wenn man nicht immer klar abgren­zen kann, kann es auch kein Kon­zept oder Begriff geben. Damit kann man jeden Begriff angreifen.

            Bei Tier­ras­sen, Unterarten/Subspezies und Popu­la­tio­nen gilt übri­gens das glei­che, schau ein­fach in die ent­spre­chen­den Wiki­pe­dia-Arti­kel. Auch die­se Begrif­fe sind (angeb­lich) umstrit­ten bzw. wis­sen­schaft­lich nicht ein­deu­tig definiert.

            Trotz­dem sind sie natür­lich unverzichtbar.

            Das The­ma mag dich nicht interessieren.

            Aber es ist doch von ent­schei­den­der Wich­tig­keit, ob wir sagen: Ja, es gibt die­se unter­schied­li­chen Popu­la­tio­nen, und sie las­sen sich auch anhand ihrer offen­sicht­li­chen Merk­ma­le sehr leicht unter­schei­den (wobei es gewis­se Über­gangs­be­rei­che gibt), aber der Wert der Men­schen ist davon unbehelligt.

            Oder ob wir sagen: Popu­la­tio­nen gibt es nicht, Merk­ma­le gibt es nicht, das ist alles Ein­bil­dung, Pseu­do­wis­sen­schaft usw.

            Das müss­te doch auch für dein The­ma rela­vent sein.

          3. Ups … relavent …

            Das hier wirkt wie ein Wider­spruch: durch die Behaup­tung, es gäbe kei­ne Ras­sen, die Eta­blie­rung eines weni­ger belas­te­ten Worts unmög­lich wird. … Das Wort Ras­se ist sozu­sa­gen ver­brannt (im Gegen­satz zu race), aber längst ersetzt durch Hautfarbe.

            Und tat­säch­lich ist es so, dass auch Haut­far­be schon als sozia­les Kon­strukt betrach­tet wird.

            Man kommt in eine Art unend­li­chen Regress: Es gibt kei­ne Ras­sen, aber es gibt Ras­sis­mus. Es gibt kei­ne Haut­far­be, aber Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Haut­far­be. Erhöh­te Pig­ment­dich­te ist nur ein sozia­les Kon­strukt, aber es gibt Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Pigmentdichte …

          4. Di schreibst: Doch dass es die­se Phä­no­ty­pen gibt, muss nicht hei­ßen, dass »Ras­sen« der rich­ti­ge Begriff dafür ist. Und wenn es bio­lo­gi­sche »Ras­sen« beim Men­schen gibt, ist nicht ohne Wei­te­res anzu­neh­men, dass die mit den Kate­go­rien über­ein­stim­men, die wir wahrnehmen.

            Die Fra­ge, ob Ras­se der »rich­ti­ge« Begriff ist, hängt ein­fach nur davon ab, wie man Ras­se defi­niert. Das muss nicht mal eine bio­lo­gi­sche Defi­ni­ti­on sein. Man könn­te sich auch wis­sen­schaft­lich mit unse­rer Wahr­neh­mung befas­sen und sagen: Ras­se bezeich­net die ent­spre­chen­den Kate­go­rien unse­rer Wahr­neh­mung. Es wäre dann eher eine Psy­cho­lo­gi­sche Definition.

            Es könn­te sich dann her­aus­stel­len, dass Men­schen, die wir auf­grund ihrer Augen­lid­form als asia­tisch bezeich­net, in Wirk­lich­keit aus allen mög­li­chen Tei­len der Erde abstam­men, nur nicht aus Asien.

            Dann wür­de es aber immer noch die­se Popu­la­ti­on mit ande­rem Aus­se­hen geben, und sie wäre des­halb noch kein sozia­les Konstrukt.

      3. »Mir ging es eigent­lich nur dar­um, dass es in die­sem Kon­text die Sache eher kom­pli­zier­ter als ein­fa­cher macht«

        Wenn es ein­fach blei­ben wür­de, bräuch­te man ja die­se gan­zen neu­en Ras­sen­theo­re­ti­ker nicht. Frau Kei­lani beim Tages­spie­gel hat­te da jüngst ja mal ins Wes­pen­nest gesto­chen, aber so ganz im Bil­de mit was sie es zu tun hat, ist sie wohl lei­der (noch?) nicht. Ich hat­te mal ange­dacht, sie mal auf Lind­say und co. hin­zu­wei­sen, aber auf Anhieb kei­ne Kon­takt­mög­lich­keit gefunden.

        Dein Bei­trag hier erin­nert mich auch etwas an einen ande­ren vor einer Wei­le erschie­nen drü­ben bei
        http://maninthmiddle.blogspot.com/2021/01/transfrau-frau-sinnlos.html?m=1

        Es gibt gewis­se Par­al­le­len, die The­ma­tik dort im spe­zi­el­len ist aber wahr­schein­lich doch etwas komplexer.

        1. Ein­facher, kom­pa­ra­tiv. Weil die es kom­pli­ziert machen, soll ich es von einer zusätz­li­chen Sei­te her noch kom­pli­zier­ter machen? Wozu? Ver­ste­he das Argu­ment nicht.

  2. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich gesperrt bin oder die Bei­trä­ge auf­grund der Weg­werf-E-Mail-Adres­se nicht ver­öf­fent­licht wur­den Des­halb ver­su­che ich es noch ein­mal mit einer ande­ren Adres­se. Falls Bei­trä­ge von mir uner­wünscht sind, bit­te ich um Entschuldigung:

    Schön auf den Punkt gebracht. Dan­ke dafür.

    Ich möch­te noch zwei wei­te­re Gedan­ken in den Ring wer­fen. Dazu muss ich zunächst etwas ausholen: 

    Neben der ras­sis­ti­schen Denk­wei­se, die dar­aus ent­stand, dass ein (bereits rela­tiv macht­lo­ser) Gegen­über sys­te­ma­tisch schlecht behan­delt wur­de und die­se Behand­lung irgend­wie gerecht­fer­tigt wer­den muss­te – die simp­le Tat­sa­che des Sie­ges über den Gegen­über, die bis dahin übli­che Recht­fer­ti­gung für Skla­ve­rei, war auf­grund des herr­schen­den Wer­te­sys­tems nicht mehr als Recht­fer­ti­gung geeig­net – gibt es auch die ras­sis­ti­sche Denk­wei­se, die sich gegen einen als über­mäch­tig ima­gi­nier­ten Geg­ner wen­det. Die Grund­la­ge die­ser Denk­wei­se ist oft eine Apex Fall­a­cy, die ent­lang der Macht­ver­tei­lung nur nach oben schaut und dort eine Struk­tur und ein Ver­hal­ten ent­de­cken, wel­che als schäd­lich ein­ge­schätzt wer­den. Die Trä­ger die­ser Struk­tur und die­ses Ver­hal­tens wer­den anhand von äuße­ren Merk­ma­len deter­mi­niert und es erfolgt kei­ne Gegen­prü­fung, ob ande­re Trä­ger die­ser Merk­ma­le über­haupt Teil der als schäd­lich ein­ge­stuf­ten Struk­tur sind bzw. das betref­fen­de Ver­hal­ten zeigen. 

    Die­se zwei­te Denk­wei­se war der Antrieb für das größ­te Desas­ter, das jemals von deut­schem Boden ausging. 

    Die bei­den Gedan­ken, die ich zur Dis­kus­si­on stel­len möch­te, sind fol­gen­de: Die Begrün­dung der heu­ti­gen Rede­fi­ni­ti­on des Begrif­fes Ras­sis­mus bezieht sich auf die erst­ge­nann­te Denk­wei­se, der neu geschaf­fe­ne Begriff folgt aber in sei­ner Aus­ge­stal­tung genau der zweit­ge­nann­ten Denk­wei­se. Was glau­ben die­je­ni­gen, die die­se Argu­men­ta­ti­on anfüh­ren bzw. mit­tra­gen, wird dies­mal dabei her­aus­kom­men? War­um wer­den die­se Par­al­le­len nicht gesehen?

    Der aktu­el­le Furor der Dis­kus­si­on und die hohe Aus­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit wird aktu­ell in der Brei­te getra­gen von Ver­tre­tern eben der Grup­pe, wel­che die äuße­ren Merk­ma­le auf­weist, die den Trä­gern der als schäd­lich ein­ge­stuf­ten Struk­tur zuge­schrie­ben wer­den. War­um das über­haupt funk­tio­niert, ist eben­falls eine inter­es­san­te Fra­ge, aber mir geht es dar­um, dass ich glau­be, dass sich die iden­ti­fi­zie­ren­den Merk­ma­le, wenn zuneh­mend inva­si­ve­re Maß­nah­men gegen die Trä­ger die­ser Merk­ma­le ergrif­fen wer­den, noch ein­mal ver­fei­nern müs­sen, um die ange­klag­te Grup­pe von der Men­ge her zu redu­zie­ren. Ein real aus­ge­tra­ge­ner Kampf gegen die Mehr­heit ist durch die Min­der­heit nicht zu gewin­nen – aber auf einen rea­len phy­si­schen Kampf wird es hin­aus­lau­fen, wenn die Pola­ri­sie­rung nur weit genug getrie­ben wird. Des­halb wird die Grup­pe, gegen die agiert wird, allein schon aus tak­ti­schen Grün­den ver­klei­nert wer­den müs­sen. Was wird die Ver­tre­ter des Kamp­fes gegen die als schäd­lich ein­ge­stuf­te Struk­tur davon abhal­ten, die glei­che Ein­gren­zung vor­zu­neh­men, die wir aus unse­rer Geschich­te schon kennen? 

    Ich fin­de es eigen­ar­tig, dass die­se Mecha­nis­men und deren Fol­gen so gut wie nie in Ver­bin­dung mit den aktu­el­len Strö­mun­gen in der Öffent­lich­keit benannt wer­den. Sind die beschrie­be­nen Schluss­fol­ge­run­gen so abwegig?

    1. Habe im Moment kei­ne Zeit für den Inhalt, aber ja, das muss ein Fil­ter gewe­sen sein, ich habe nichts gese­hen oder gelöscht. Im Zwei­fel auch gern eine Mail schrei­ben. Sor­ry! Ohne Fil­ter geht es nicht, zu viel Spam.

    2. Die meis­ten schei­nen ja ein­fach nur »Anti­ras­sis­mus« und »Geor­ge Floyd« zu hören und augen­blick­lich jede Kri­tik­fä­hig­keit aus­zu­schal­ten. Ich habe ja hier schon eini­ge der Moti­ve auf­zu­drö­seln ver­sucht, die dazu bei­tra­gen, dass hier die Wahr­neh­mung so selek­tiv ein­ge­schränkt und ver­zerrt ist. Aber ver­ein­zelt wird es schon gesehen:

      https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/stop-being-shocked
      https://newdiscourses.com/2020/10/critical-race-theorys-jewish-problem/
      https://twitter.com/EricRWeinstein/status/1354711030090223617?s=20

      Sogar beim DLF:

      https://www.deutschlandfunkkultur.de/black-lives-matter-antijuedische-toene-machen-vielen-angst.1079.de.html?dram%3Aarticle_id=492076

      Ich erin­ne­re mich an ein Meme von The Woke Temp­le, das genau die­se Gegen­über­stel­lung gemacht hat. Es gab mal einen Ras­sis­mus, der behaup­te­te, die ande­re Grup­pe sei min­der­wer­tig; und es gab mal einen Ras­sis­mus, der behaup­te­te, die ande­re Grup­pe habe zu viel Macht … lei­der habe ich das gera­de nicht mehr gefunden.

      Zum Pro­blem mit der Ver­fol­gung der Mehr­heit – es gibt ja Stand­punk­te wie den, dass »alter wei­ßer Mann« eine »Geis­tes­hal­tung« sei, und es gibt so was wie Allies, und auf der ande­ren Sei­te gehen selbst die käsigs­ten und hete­ro­se­xu­ells­ten unter den wei­ßen Män­nern mit dem Segen der Theo­rie­ge­mein­schaft auf Frau­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund los, wenn die­se sich erlaubt haben, eine abwei­chen­de Mei­nung zu ver­tre­ten. Will sagen, die Theo­rie bie­tet genug Spiel­raum, um Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­fol­gung fle­xi­bel an aktu­el­le Bedar­fe anzupassen.

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