homo duplex

Ich habe den Namen die­ses Blogs in »homo duplex« geän­dert. Der ursprüng­li­che Name »Cul­tu­re War« gefiel mir in der Pra­xis nicht mehr.

Er traf zwar eini­ger­ma­ßen das The­ma, um das die Arti­kel hier krei­sen, war mir aber schlicht zu aggres­siv. Es setzt den fal­schen Rah­men, wenn dem Leser immer als ers­tes die Idee »Krieg« ent­ge­gen­prangt. Es lässt einen eher in Deckung gehen und nach dem Feind Aus­schau hal­ten, legt also nahe, sich in eine Kriegs­lo­gik hin­ein­zie­hen zu las­sen. Das ist nicht mein Ziel. Viel­mehr geht es dar­um, die­ses Kriegs­ge­sche­hen zu tran­szen­die­ren, indem ich ver­su­che, von einer höhe­ren War­te aus des­sen Dyna­mik auf­zu­schlüs­seln, wohl wis­send, dass ich selbst dar­in ver­strickt bin. Soweit das gelingt, wird das all­ge­mein Mensch­li­che wie­der sicht­bar, das uns ver­bin­det. Der Begriff »Cul­tu­re War« im Vor­der­grund war the­ma­tisch tref­fend und prä­gnant, führ­te aber psy­cho­lo­gisch in die fal­sche Richtung.

Auf der Suche nach Alter­na­ti­ven kam ich bald auf »homo duplex«. Dies ist ein Kon­zept des Sozio­lo­gen Émi­le Durk­heim, auf das ich über den Psy­cho­lo­gen Jona­than Haidt gesto­ßen bin, der es zustim­mend auf­greift. Es bedeu­tet soviel wie »der dop­pel­te Mensch«. Die zwei Exis­ten­zen des Men­schen, die Durk­heim damit mein­te, sind die indi­vi­du­el­le und die sozia­le. Man könn­te auch sagen: die äffi­sche und die göttliche.

Wir sind in vie­ler Hin­sicht bloß halb­wegs intel­li­gen­te Affen, die ego­is­tisch auf den eige­nen Vor­teil und Lust­ge­winn aus sind. Das ist der indi­vi­du­el­le Anteil. Aber wir sind auch Wesen, die nach Sinn suchen, in einem grö­ße­ren Gan­zen auf­ge­hen und sich höhe­ren Zwe­cken opfern. Das ist der sozia­le Anteil. 

Haidt folgt Durk­heim in der Auf­fas­sung, dass Reli­gi­on das psy­cho­lo­gi­sche Medi­um ist, das Men­schen zu Grup­pen zusam­men­bin­det und damit die Grup­pen­loya­li­tät und Koor­di­na­ti­on ermög­licht, die unse­re Spe­zi­es so erfolg­reich gemacht hat. Damit sind nicht nur die gro­ßen, insti­tu­tio­na­li­sier­ten Reli­gio­nen gemeint, son­dern alles, was für Grup­pen den Stel­len­wert gehei­lig­ter Glau­bens­sät­ze annimmt. In unse­rem kul­tu­rel­len Kon­text sind – abge­se­hen vom Islam – eher säku­la­re Pseu­do­re­li­gio­nen rele­vant, aber das nicht zu knapp.

Wir sind nicht ein­fach nur Affen­her­den, die ein­an­der die Schä­del ein­schla­gen, weil sie es kön­nen und weil es die Über­le­bens­chan­cen der eige­nen Grup­pe erhöht. Sol­che Impul­se haben wir eben­falls, aber bei uns ist es kom­pli­zier­ter. Wir haben Moral, und es geht mir nicht dar­um, uns zu fei­ern, wenn ich das sage. Moral ist mit dem Bösen eben­so innig ver­bun­den wie mit dem Guten. Sie ist unser Fluch und Segen. Sie bringt das Höchs­te her­vor, wozu wir fähig sind – Selbst­auf­op­fe­rung –, aber auch das Nied­rigs­te: Krieg, Mord und Fol­ter im Namen der Schaf­fung einer bes­se­ren Welt und »mit dem strah­lend guten Gewis­sen der Dum­men« (Gün­ther Anders).

Wenn wir »Dumm­heit« wahr­neh­men, haben wir es meist nicht mit Dumm­heit im eigent­li­chen Sinn zu tun, also mit einem nied­ri­gen IQ oder man­geln­der Bil­dung. Arbeits­hy­po­the­se: Meist ist Dumm­heit ein Aus­druck blin­der Fle­cke, die eine bestimm­te mora­li­sche Deu­tung oder ein bestimm­tes schmei­chel­haf­tes Selbst­bild gegen wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen schützen.

Bedürf­nis­se, Instink­te und mora­li­sche Impul­se zie­hen und zer­ren in allen Rich­tun­gen an uns, und wäh­rend das pas­siert, ver­wech­seln wir unse­re äffisch-ego­is­ti­schen Impul­se mit höhe­ren Geis­tes­re­gun­gen und ver­klei­den sie damit. Wir insze­nie­ren uns öffent­lich als tugend­haft und machen uns nicht klar, dass wir damit viel mehr unse­rem Fort­kom­men und unse­rer Eitel­keit die­nen als irgend­wel­cher Tugend. Mühe­los ver­kau­fen wir uns Hass als Hal­tung und Fana­tis­mus als Ver­nunft, wenn es unse­rer eige­ner Hass und Fana­tis­mus ist.

Als gemein­sa­mer Nen­ner unter all dem steht das Selbst­miss­ver­ständ­nis und die Selbst­täu­schung. Wir pro­du­zie­ren einen unend­li­chen Strom von Geschich­ten dar­über, wer wir sind und was wir wol­len, in Lite­ra­tur und Film, aber auch im All­tag, jeder von uns, stän­dig. Dabei kommt Wah­res her­aus, aber auch viel Illu­si­on. Wird der Illu­si­ons­an­teil zu groß, wird es gefähr­lich. Je wei­ter wir uns von der Rea­li­tät ent­fer­nen, des­to erbar­mungs­lo­ser prä­sen­tiert sie uns irgend­wann die Rech­nung für unse­re Arro­ganz. Kar­ma ist real. Alles kommt zurück.

Soweit eine gro­be Skiz­ze mei­nes Betrach­tungs­rah­mens und mei­ner Prä­mis­sen für die­se Arbeit. Ich will ver­su­chen, Illu­sio­nen auf­zu­lö­sen, auf der Grund­la­ge des Glau­bens, dass das Stre­ben nach Wahr­heit heil­sam ist, so sehr es auch zum Schei­tern ver­ur­teilt sein mag. Ein dum­mer Affe, der nach den Ster­nen greift. 

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